Karin Eckert, Dipl. Päd.
Lebenswelten von Frauen in West-Uganda – Eine empirische Untersuchung von Karin Eckert
Der Blick vom Norden auf Afrika ist meistens auf Probleme gerichtet. Auch die Frauen dort werden vor allem als arm und in ihren Möglichkeiten eingeschränkt gesehen. In meiner Erfahrung mit Afrika (südlich der Sahara) in den letzten 30 Jahren habe ich vor Ort ein weitaus differenzierteres Bild erlebt, vor allem während meiner Arbeit in einem GTZ-Projekt an der ugandisch-kongolesischen Grenze zwischen den Jahren 1996 und 2000. Neben meiner Tätigkeit als Entwicklungshelferin habe ich geforscht und zwanzig narrative Interviews mit Frauen durchgeführt. Meine Frage nach ihren Lebensgeschichten sollte aufzeigen, welche Wertvorstellungen in den Darstellungen der Frauen zu finden sind. Ende 2014 besuchte ich nochmals die Region und hatte die Gelegenheit zehn Frauen aus diesem Sample erneut zu interviewen. Die Interviews wurden anhand der weiter entwickelten Methode der AG Erwachsenenbildung der Universität Mainz (Frau Prof. Dr. von Felden) ausgewertet, die auf dem narrationsanalytischen Verfahren von Fritz Schütze basiert.
Aaron Lahl, M. Sc.
Masturbation und Pornographie: Psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Perspektiven
„Wir sind ja alle in dem Urteil einig, daß das Thema der Onanie schier unerschöpflich ist.“ (Sigmund Freud)
Die Masturbation hat in den vergangenen Dekaden sowohl quantitativ als auch im Erleben der Subjekte zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie sei inzwischen, so urteilt die Sexualwissenschaft einhellig, keine Ersatzsexualität mehr, sondern werde als eigenständige Sexualform – das heißt auch in relativer Unabhängigkeit von der Paarsexualität – praktiziert und anerkannt. Allenfalls beim Thema des Pornographiekonsums jugendlicher Männer wird die heutzutage entdramatisierte und veralltäglichte Solo-Sexualität noch zum Anlass für gesellschaftliche Kontroversen. Die hitzig geführte Debatte über die mögliche Schädlichkeit von Pornographie – viele der Sorgen, etwa über eine Zunahme sexueller Gewalt durch die Verbreitung von Pornographie, haben sich nicht bewahrheitet –, hat womöglich einer unvoreingenommenen Beforschung der Phänomene Masturbation und Pornographie im Weg gestanden. Neben umfassenden quantitativen Erhebungen gibt es wenige qualitative Studien, die zudem häufig auf Student*innen beschränkt sind. Insbesondere psychodynamische Aspekte und Bedeutungen von Masturbation und Pornographie sind wenig untersucht. Eine systematische Darstellung psychoanalytischer Theorien zu Masturbation (zu deren Normalisierung die Psychoanalyse nicht unwesentlich beigetragen hat) fehlt bislang.
In meinem Dissertationsprojekt möchte ich psychoanalytische Modelle zur Bedeutung und Funktion von Masturbation und Pornographie erörtern und diese mit sexualwissenschaftlicher Empirie verbinden. Teil des Dissertationsprojekts sind Interviews, die ich mit jungen Männern mit unterschiedlichem Bildungshintergrund zum Thema „Männliche Sexualität und Masturbation“ führe. Untersuchen möchte ich dabei sowohl frühe Masturbationserfahrungen als auch die Einbindung der Masturbation in den Alltag und das Verhältnis der Masturbation (mit und ohne pornographischer Vorlage) zur sonstigen gelebten Sexualität. Um psychodynamischen Aspekten auf die Spur zu kommen, werte ich Teile der Interviews (neben einer konventionellen Auswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse) auch tiefenhermeneutisch aus.
Link zur IPU-Homepage: https://www.ipu-berlin.de/lehrbeauftragte/lahl-aaron/
Kontakt: aaron.lahl@ipu-berlin.de
Steffen Stolzenberger, M.A., M. Ed.
Kompetenz und Halbbildung. Über Anspruch und Wirklichkeit eines bildungspolitischen Paradigmas
Gegenstand der Dissertation ist das seit Aufkommen der internationalen Schulvergleichsstudien PISA und den Bologna-Reformen ubiquitär verbreitete und politisch als allgemeines Bildungsziel verordnete Paradigma der Kompetenzentwicklung. Ausgehend von der kapitalistischen Gesellschaft als einer sich in ihrer historischen Dynamik beständig re-konstituierenden Totalität, wird die Universalisierung der Kompetenzorientierung (auch über die konkreten Bildungsinstitutionen hinaus) vor dem Hintergrund polit-ökonomischer Entwicklungsprozesse seit den 1970er Jahren konkretisiert, um sodann den von entsprechenden Bildungstheoretiker:innen und Pädagog:innen vertretenen Anspruch, dies stelle einen Fortschritt für die Emanzipation und Mündigkeit der zu Bildenden dar, des Widerspruchs zu überführen. Dazu werden Kompetenzen als Modell eines ideologischen Wirklichkeitsbezugs – des postmodernen Wissens – thematisiert, der charakteristisch für den allgemeinen Bewusstseinsstand unter den Bedingungengegenwärtiger kapitalistischer Vergesellschaftung ist. Dieser Wirklichkeitsbezug wird durch eine kritische Analyse von Forschungsdesigns aus der Bildungsforschung erarbeitet, die sich allgemein mit Kompetenzen, ihrer Definition und Messbarmachung befassen. Der Fokus der Kritik liegt dabei auf der Operationalisierung des Selbstorganisationstheorems, mit der die Subjekte von Lernprozessen zu Momenten selbstorganisierter lernender Systeme modelliert werden, deren Fähigkeit zur spontanen Anpassung an ständig wechselnde Anforderungen zu Unrecht als Autonomie ausgegeben wird. Das Projekt problematisiert also erkenntniskritisch das Verhältnis von Theorie und Empirie in der ‚Kompetenzforschung‘: den Rückschluss von sozialem Handeln auf Kompetenzen als die sie ermöglichenden Dispositionen unter Abstraktion von ihren historischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen. Die hieraus folgende Umdeutung von Bildung zum Emergenzphänomen löst die Subjekte in einem Systemzusammenhang auf und verstellt die Reflexion von Entfremdungserfahrungen, die mit Bildung unter antagonistischen gesellschaftlichen Verhältnissen einhergehen. Die fatale praktische Tragweite dieses Projekts wird abschließend an den Konsequenzen vorgeführt, die das Kompetenzparadigma für die politische Bildung zeitigt. Hierbei wird die Problematik des wesentlich politischen Charakters postmodernen Wissens entwickelt, das mit dem Anspruch auf Wahrheit bricht und Formen der Gesellschaftskritik provoziert, welche die Spaltung der Gesellschaft in konkurrierende Gemeinschaften zum Medium des Politischen erklären. Als Konsequenz der kritisierten Gestalt von Bildung wird das postmoderne Wissen als kompatibel mit der neoliberalen Ideologie von den vereinzelten Individuen als alleiniger Grund ihres Erfolgs und Scheiterns aufgezeigt, zu der die Gemeinschaftsstiftung die komplementäre gesellschaftliche Reaktionsbildung darstellt.
Kontakt: sstolzen@uni-mainz.de
Tom David Uhlig, M. Sc.
Antisemitismus als Krisenideologie
Gleichzeitig Antisemitismus sowohl subjekt- als auch gesellschaftstheoretisch ausgeleuchtet ist wie kaum ein anderes Ideologem der Menschenverachtung, stockt die Vermittlung dieser Wissensbestände. Das Ideal einer konsensuellen Ablehnung von Antisemitismus dient in der Bundesrepublik bisweilen selbst dazu, die Beschäftigung mit der Ressentimentstruktur abzuwehren. In der Öffentlichkeit des Feuilletons werden antisemitische Chiffren kontinuierlich bagatellisiert, in pädagogischen Kontexten dethematisiert und in wissenschaftlichen Zusammenhängen nivelliert. Die zur Erlangung einer kumulativen Dissertation eingereichten Beiträge verstehen sich als praktische Intervention gegen diese gesamtgesellschaftlich verbreitete Indifferenz. Sie sind ein Versuch, interessierte Wissenschaft im Handgemenge zu betreiben, an unterschiedlichen Orten Sicherheiten zu irritieren, letztlich der angewandten Synthese wissenschaftlichen Arbeitens und politischer Bildungsarbeit.
Kontakt: tom.d.uhlig@gmail.com